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Gans oder gar nicht – Köttbullar oder Wurst?

Kulinarische Gedanken aus Europa

Gemeinsamer Beitrag mit Judith von judith-golightly.com

Jedes Jahr die gleiche Diskussion im Hause Golightly: Was kommt Heiligabend auf den Tisch? Kennt ihr, oder? Der Liebste möchte gerne klassisch Kartoffelsalat mit Würstchen und ich ja eigentlich lieber Fisch mit Salzkartoffeln. Hat ja auch was mit Kindheitserinnerungen zu tun. Oder ist das etwa ein Ost-West Konflikt, wie ich anfangs vermutete? Eher weniger.

Traditionell gibt es auf der Welt ja viele verschiedene Feiertagsschmankerl. Die Gans und der Truthahn sind da klar die Nummer eins, ob nun als signifikantes Ende der katholischen Fastenzeit damals gefeiert oder weil Königin Elisabeth beim Sieg über die Spanier gerade zufällig Gans aß und diese fortan per Dekret zum Weihnachtsbraten machte, inklusive Knödel und Rotkraut versteht sich. Dies konnten sich natürlich nicht alle leisten, daher aß das gemeine Volk eher günstiges Fast-Food und daraus ist unter anderem tatsächlich die „Kartoffelsalat und Würstchen Tradition“ entstanden.

Was immer noch nicht erklärt, warum sich so viele immer an Weihnachten ums Essen zoffen.

In Polen und anderen osteuropäischen Ländern beispielsweise gibt es an Heiligabend Karpfen. Der steht für Fruchtbarkeit, Erneuerung, Wasser und Leben und wurde von christlichen Familien ebenfalls zum Ende der Fastenzeit (Mitternacht am 24.12.) gegessen. Fisch war erlaubt in der Fastenzeit, Fleisch nicht.

Vielleicht kommt es daher auch, dass es in meinem Elternhaus an Heiligabend immer (geräucherten) Fisch und Salzkartoffeln gibt. Und dann ist ja noch der erste und zweite Feiertag. Irgendwann kommt die „buckelige“ Verwandtschaft mit allerlei Vorlieben und dann muss noch schnell was Feierliches aus dem Hut gezaubert werden. Nach unserem letzten „Gans-Disaster“ mit der hochwertigen und glücklichen(!) Biogans, die stundenlang im Ofen vertrocknete, da unser Ofen (das wussten wir noch nicht zu diesem Zeitpunkt) kaputt und heißer als erwartet war, gibt es dieses Jahr Wildgulasch mit allerlei Beilagen. Auch schön und nicht weniger aufwendig. Wie ihr ja wisst, kocht bei uns mein Mann, aber ich mache natürlich gerne die Hilfsarbeiten.

Ich dachte lange Zeit auch es geht darum, ob es einfach oder nicht einfach ist. Also Heiligabend easy, um den Stresspegel so gering wie möglich zu halten und die restlichen Tage 60 Prozent in der Küche stehen klingt nicht entspannt, aber irgendwie halt nach Weihnachten. Und immerhin riecht es tagelang nach Soße und Rotkohl. Herrlich.

Apropos Rotkohl…Das erinnert mich an unser erstes Weihnachten mit Hund. Der war als Welpe der Meinung, sich in der Küche über zwei Kilo Rotkohl hermachen zu müssen. Ist übrigens das Gleiche wie mit Kindern: Stille ist IMMER verdächtig. Bekam ihm leider gar nicht gut und hatte durchschlagenden Erfolg. Dazu gibt es übrigens ein tolles Kinderbuch, „Mein 24. Dezember“ (Weihnachten aus der Sicht eines Hundes). Hab ich selbst als Kind schon gerne gelesen.

Und bei dir so, Anna? Wie ist das im schwedischen Teil Deutschlands?

God Jul

Ja, während sich die Deutschen nun streiten, was nun das bessere, das richtige oder gar das einzig wahre Weihnachtsgericht ist, kommen die Schweden mit einer gänzlich pragmatischen Lösung um die Ecke. In gewohnter lagom-Manier (lagom– die Kunst des genau richtig Seins) ist das traditionelle schwedische Weihnachtsessen ein Meisterwerk der Diplomatie. Denn es gibt nicht das „eine“ Gericht, sondern einen ganzen Tisch: das julbord. Das heißt übersetzt schlicht Weihnachtstisch. Gemeint ist ein Buffet voller verschiedener kleinerer und größerer Gerichte, die keine Wünsche offen lassen.

Fisch? Ist dabei. Fleisch? Auch dabei. Gemüse? Natürlich! Was für Vegetarier? Na sicher! Glutenfreies? Aber hallo! Kartoffeln? Yes. Eingelegtes? Jupp. Was Frisches? Klar. Laktosefreies? Sicher – ist ja das 21. Jahrhundert. Etwas für ’schwierige Esser‘? Brot mit Butter geht immer, oder?

Und die Zubereitung? Das meiste davon kann lange im Voraus vorbereitet werden bzw. ist sowieso eingelegt.

Und danach? Fast alles vom julbord kann in den folgenden Tagen noch gegessen bzw. zu anderen Gerichten umgewandelt werden.

Aber was kommt denn nun auf das traditionelle schwedische Weihnachtsbuffet?

Kernstück ist der julskinka: ein Schinkenbraten mit Senfkruste, den man sowohl kalt als auch warm essen kann. Den kann man sehr einfach selber machen, oder – wenn es ganz schnell sein soll – beim schwedischen Möbelhandel mit den vier Buchstaben kaufen. Dazu gibt es meist Kartoffeln und auf jeden Fall lingonsylt (Preiselbeeren).

Eingelegter Hering ist ebenfalls essentieller Bestandteil des Weihnachtsessens. Den sill kann man in verschiedenen Varianten kaufen oder eben selber einlegen.

Dann wäre da noch Janssons frestelse – Janssons Versuchung. Das ist ein Kartoffelgratin mit Zwiebeln, Sahne und Anchovis. Klingt gewöhnungsbedürftig, schmeckt aber super. Also wenn man Kartoffeln und Anchovis mag.

Köttbullar und prinskorvar dürfen auch nicht fehlen. Die schwedischen Fleischbällchen sind vermutlich dank des schwedischen Möbelherstellers mittlerweile jedem ein Begriff. Die prinskorvar, also die „Prinzenwürstchen“ sind kleine Wienerwürstchen, die typischerweise an beiden Enden kreuzweise eingeschnitten und dann gebraten werden. (Wieso diese wirklich sehr kleinen Würstchen ausgerechnet ‚Prinz‘ im Namen tragen, weiß ich übrigens nicht …)

Verschiedene Kohlsorten, Rote Beete, Brot, Salate, getrockneter Fisch, Lachs und vieles mehr stehen außerdem oft auf dem Weihnachtstisch. Bei den meisten schwedischen Familien wird es wohl so sein wie in der Familie meines Mannes: Viel kann, nichts muss. Das heißt, dass es außer dem traditionellen Kern vieles gibt, was es noch auf den Tisch schafft.

Und damit wären wir ja auch wieder bei der entspannten Moral von der Geschichte: Die Vielfalt macht das Weihnachtsessen für alle schön. Jeder sucht sich das raus, was er gerne essen möchte. Traditionell? Modern? Vegetarisch? Warm? Kalt? Egal – Hauptsache es schmeckt. Klingt doch irgendwie nach der richtigen Einstellung zu Heiligabend, oder? Vielleicht sollten wir Deutschen uns davon eine gehörige Scheibe abschneiden und weniger Zeit mit Grundsatzdiskussionen über ‚Gans oder nicht Gans‘ und Menü-Vorbereitungs-Wahnsinn verbringen …

In diesem Sinn: God Jul!

 

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Der erste Teil des Textes und das Bild der zwei Jungs sind von meiner bezaubernden Freundin Judith von judith-golightly.com

Den Text findet ihr ebenfalls auf ihrem Blog

 

i guess that's me

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